Interview

Innovative Lösungen für praxisnahe Tests und zuverlässige Sicherheitsvalidierung -Stefano

Die Kluft zwischen Simulation und Realität zu überbrücken, gehört zu den größten Herausforderungen bei der Entwicklung autonomer und vernetzter Systeme. Simulationen sind sicher, skalierbar und kosteneffizient, erfassen jedoch häufig nicht die Vielfalt und Komplexität realer Umgebungen. In diesem Interview spricht Stefano Carlo Lambertenghi, Forscher im Bereich Automated Software Testing bei fortiss, darüber, wie er und sein Team dieses Problem mit datenbasierten Szenarien, digitalen Zwillingen, Hardware-in-the-Loop-Setups und Mixed-Reality-Umgebungen angehen. Er erklärt, wie fortiss das Testen realistischer und zuverlässiger gestaltet – von frühen Simulationen bis hin zur Validierung in der realen Welt – und welche Schlüsselrolle KI bei der Erstellung vielfältiger und anspruchsvoller Szenarien spielt. Das Ergebnis: sicherere und flexiblere Testumgebungen, die Unternehmen dabei helfen, autonome Technologien mit Vertrauen auf die Straße zu bringen.

Warum ist das Überbrücken der Simulations-Reality-Lücke eine so kritische Herausforderung?

Simulationsbasierte Tests spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von cyber-physischen Systemen wie autonomen Fahrzeugen, intelligenten Robotern und smarter Infrastruktur. Sie ermöglichen eine sichere, skalierbare und kostengünstige Validierung. Allerdings gelingt es Simulationen oft nicht, die Komplexität der realen Welt vollständig abzubilden, was zu der sogenannten Simulations-Reality-Lücke (Sim2real Gap) führt.

Diese Verhaltenslücke entsteht aus mehreren Faktoren: Die Wahrnehmungslücke entsteht, wenn simulierte Sensoren reale Einflüsse wie Rauschen, Blockierungen oder Lichtverhältnisse nicht realistisch abbilden. Die Aktuationslücke beschreibt Abweichungen zwischen idealisierten Steuerungen in der Simulation und dem echten Verhalten der Hardware, etwa durch Verzögerungen oder mechanische Ungenauigkeiten. Die Szenariolücke betrifft die Schwierigkeit, die Vielfalt und Komplexität realer Umgebungen, vor allem seltener Ereignisse, vollständig zu simulieren. Solche Diskrepanzen führen dazu, dass Systeme in Simulationen entweder überschätzt (Overconfidence) oder unterschätzt (Underconfidence) werden und in der Realität versagen oder fälschlich abgelehnt werden.


Wir schließen diese Lücke durch die Kombination realistischer, datengestützter Szenarien mit hochauflösenden Simulationen, generativen Modellen, digitalen Zwillingen, Hardware-in-the-Loop und Mixed-Reality-Umgebungen. Hochauflösende Simulationen verbessern die physikalische Realität durch detaillierte Sensor- und Umweltmodelle. Datengestützte Szenarien erhöhen den Realismus basierend auf echten Aufnahmen. Generative Modelle übersetzen synthetische Daten in realistischere Eingaben. Digitale Zwillinge bilden physische Systeme virtuell nach und synchronisieren sich mit realen Daten. Hardware-in-the-Loop verbindet reale Komponenten mit Simulationen für Tests unter realistischen Bedingungen. Mixed Reality kombiniert reale Sensoren mit simulierten Elementen für vielseitige Tests. 

So stellen wir sicher, dass Simulationsergebnisse das reale Verhalten zuverlässig abbilden


Welche Rolle spielt das Institut bei der Weiterentwicklung autonomer und vernetzter Mobilitätssysteme?


Unsere Wissenschaftler*innen entwickelt Methoden und Werkzeuge, um das Testen autonomer und vernetzter Mobilitätssysteme realistischer, zuverlässiger und skalierbarer zu gestalten. Dabei setzen wir stark auf reale Datensätze, um komplexe, datengestützte Testszenarien zu erstellen, die tatsächliche Fahrbedingungen genau abbilden.

Zur Verringerung der Wahrnehmungslücke nutzen wir fortschrittliche Techniken wie generative Bildübersetzungen und Bildstörungen, um synthetische Daten realistischer zu machen und seltene oder schwierige Bedingungen zu simulieren.

Unsere Testsysteme integrieren auch vernetzte Infrastrukturkomponenten, etwa vernetzte Ampeln und Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation, um das Zusammenspiel autonomer Systeme mit ihrer Umgebung zu prüfen. Im Mobility Lab führen wir modulare und End-to-End-Fahrmodelltests auf einer Plattform durch, die Fahrzeug-in-the-Loop- und Mixed-Reality-Tests ermöglicht. So kombinieren wir physische Komponenten mit virtuellen Umgebungen, um das Verhalten unter realistischen Bedingungen zu bewerten.

Derzeit übertragen wir diese Fähigkeiten auf eine vollwertige Testplattform, die Systembewertungen in realen Szenarien zur Validierung unserer Technologien ermöglicht.


Wodurch hebt sich Ihr Ansatz im szenariobasierten und simulationsbasierten Testen hervor und welchen Mehrwert bietet er für die Industrie?

Unsere Infrastruktur deckt den gesamten Testzyklus ab, von der frühen Szenarienerstellung und Simulation bis hin zu Hardware-in-the-Loop-Tests und der Evaluierung in der realen Welt. Wir betreiben mehrere Simulationsplattformen, eine zertifizierte, vollwertige Testumgebung sowie eine kleinere Plattform, die Mixed-Reality- und Fahrzeug-in-the-Loop-Tests unterstützt. Dadurch können wir den gesamten Zyklus von Tests, Validierung und Verfeinerung vollständig intern und unter kontrollierten und reproduzierbaren Bedingungen durchführen.

Diese Plattformen unterstützen eine breite Palette von Simulationsumgebungen, einschließlich CARLA, Udacity, BeamNG und enutzerdefinierten Unity-basierten Simulatoren. Unsere Testeinrichtungen sind vollständig kompatibel mit weit verbreiteten autonomen Fahrstapeln wie Autoware und Apollo. Das Mobility Lab und alle entwickelten Lösungen sind ROS-kompatibel, was eine nahtlose Integration mit verschiedenen Robotik- und Automobilsystemen ermöglicht.

Da unser Ansatz modular und an Industriestandards ausgerichtet ist, fügt er sich nahtlos in bestehende Entwicklungs-Pipelines ein. Dies stellt sicher, dass unsere Methoden nicht nur die neueste Forschung und Spitzentechnologien widerspiegeln, sondern auch praktisch und unmittelbar für den industriellen Einsatz anwendbar sind.


Welche Rolle spielt KI insbesondere beim Testen und Validieren von Fahrfunktionen?

Generative KI wird verwendet, um reale Szenarien aus Daten zu rekonstruieren und automatisch eine breite und vielfältige Reihe neuer Szenarien zu generieren. Dies hilft uns, zu testen, wie autonome Systeme auf komplexe, seltene oder Edge-Case-Bedingungen reagieren, die schwer manuell zu konstruieren sind. Wir nutzen KI auch, um Simulator-Eingaben und -Ausgaben zu übersetzen, was die Realitätsnähe der Sensordaten verbessert und die Wahrnehmungslücke zwischen Simulation und Realität überbrückt.

In vielen unserer Projekte sind die KI-Systeme selbst—wie Wahrnehmungs-, Planungs- und Steuerungsmodelle—die Hauptkomponenten, die evaluiert werden. Wir testen sowohl modulare als auch End-to-End-Fahrmodelle, um zu verstehen, wie sie sich unter unterschiedlichen und unsicheren Bedingungen verhalten.

Warum sind flexible und realistische Testumgebungen entscheidend für die sichere Entwicklung automatisierter Fahrtechnologien – und wie werden sie bei fortiss heute gestaltet?

Bei fortiss entwickeln wir Testumgebungen, die Sicherheit, Realismus und Flexibilität kombinieren, um automatisierte Fahrtechnologien unter kontrollierten, aber herausfordernden Bedingungen zu evaluieren. In unserem Mobility Lab können wir realistische Tests im kleinen Maßstab mit physischen Fahrzeugen und Infrastruktur durchführen. Dadurch können wir das Verhalten des Systems in realen Umgebungen testen, während wir die Risiken und Kosten von Tests auf echten Straßen vermeiden.

Wir nutzen auch Mixed-Reality-Techniken, um virtuelle Elemente mit realen Komponenten zu kombinieren. Auf unserer kleinen Plattform ermöglicht uns dies, komplexe und sicherheitskritische Szenarien zu simulieren—wie beispielsweise einen Fußgänger, der plötzlich die Straße überquert—ohne Personen oder Hardware echten Gefahren auszusetzen. Diese Szenarien können ausgelöst und konsistent wiederholt werden, um die Systemreaktionen eingehend zu untersuchen.

In naher Zukunft werden wir diese Fähigkeit auf unsere zertifizierte, vollwertige Fahrzeugplattform ausweiten, um hochpräzise Tests kritischer Randfälle in realistischen, vernetzten Fahrumgebungen zu ermöglichen.

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