Projektabschluss

Digital oder doch lieber per Fax?

Biobasierte Reststoffe weiterverwenden, anstatt sie zu entsorgen – das war ein großes Ziel des Projekts Digitale Rohstoffbörse, das fortiss gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) umgesetzt und nun zum Projektabschluss gebracht hat. Die Partner suchten nach einer digitalen Möglichkeit, Erzeuger und Abnehmer im Rohstoffhandel miteinander zu vernetzen. Das Resultat des dreijährigen Projekts ist der Prototyp einer digitalen Plattform, die die Möglichkeit schafft, Lebensmittelerzeugung nachhaltiger zu gestalten, das Potenzial regionaler Strukturen besser zu nutzen, vorhandenes Know-how effektiver zu integrieren und mit Hilfe der Digitalisierung mehr Nachhaltigkeit in der Wertschöpfungskette zu erzeugen.


Neue Erzeuger- und Abnehmermärkte digital erschließen

Industrie und Gewerbe setzen bei der Wahl ihrer Ausgangsstoffe in der Produktion immer öfter auf nachwachsende Roh- und Reststoffe aus land- und forstwirtschaftlicher Erzeugung, denn die Hersteller erkennen dabei zunehmend die Bedeutung von alternativen Rohstoffen und sehen darin das „Gold“ für eine zukunftsfähige Wirtschaft. Ein weiterer großer Vorteil: Biobasierte Reststoffe weiter zu verwenden ist viel effizienter und nachhaltiger, als diese kostenintensiv zu entsorgen. Um Rest- und Rohstoffe dauerhaft und umfassend wiederzuverwerten, wurde in 2019 das Forschungsprojekt Digitale Rohstoffbörse ins Leben gerufen. Das Ziel war es, einen Online-Marktplatz zu schaffen, der Akteure der biobasierten Wirtschaft über eine digitale ökonomische Plattform zusammenführt. Die Plattform sollte die Bildung von Wertschöpfungsnetzwerken fördern und damit zur Entwicklung und Etablierung eines regen Austausches im Dienst der Ressourcenschonung beitragen.

Um die Bedarfe von Erzeugern und Abnehmern an einem Online-Marktplatz für nachhaltige Rohstoffe einzuschätzen, startete das KErn zu Beginn des Projekts eine Online-Umfrage und führte qualitative Interviews mit Erzeugern und Verarbeitern. Die Ergebnisse spiegelten dabei ein hohes Interesse für einen Online-Marktplatz wider und zeigten die beachtliche Vielfalt verfügbarer nachwachsender Roh- und Reststoffe sowie die große Nachfrage nach diesen Stoffen. Mit Hilfe von Workshops mit potenziellen Nutzern und Stakeholdern ermittelte das Kompetenzzentrum außerdem, welche Anforderungen die Nutzer an einen Online-Marktplatz haben und welche strategischen wie operativen Vorteile, aber auch Risiken, ein Handelsplatz für Roh- und Reststoffe birgt. Deutlich zeigten sich auch Grenzen im Umgang mit biobasierten Roh- und Reststoffen, wie z.B. kurze Haltbarkeit und eine schwankende Menge sowie die Produktqualität. Ein digitaler Marktplatz könnte hier unterstützen: Durch schnelleres und flexibleres Auffinden von Handelspartnern im regionalen Umfeld, aber auch durch Bündelungen von Mengen für einen bestimmten Ausgangsstoff.


Wiederverwertung langfristig gedacht

Die empirisch gewonnenen Ergebnisse und Anforderungen dienten fortiss als Grundlage für die Entwicklung des Prototyps einer "Digitalen Rohstoffbörse für nachhaltige Rohstoffe". Die fortiss-Wissenschaftler*innen verfolgten dabei Ansätze des Plattform Engineerings, um ein modulares und wiederverwendbares System auf Basis von Open Source Software zu schaffen. Die dadurch entstandene digitale Plattform bündelt Aspekte der Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Vernetzung sowie der Reduzierung von Lebensmittelabfällen und schafft durch die Erschließung neuer, branchenübergreifender Wertschöpfungsketten einen Mehrwert. So erhalten Nebenprodukte, die bisher als Abfallprodukte betrachtet wurden, einen neuen Nutzwert. Sowohl Anbieter*innen als auch Käufer*innen profitieren von diesem Angebot.

Der Onlinemarktplatz bietet dabei verschiedene Möglichkeiten:

  • Inserieren – Mit dieser Funktion können Produzenten ihre nachwachsenden Roh- und Reststoffe anbieten.
  • Suchen und Finden – Hier finden Interessierte verfügbare nachwachsende Roh- und Reststoffe nach Art, Menge und Region.
  • Service – Damit lassen sich Kosten vergleichen, Kontakte knüpfen, Postleitzahlen suchen.
  • Information – gibt Auskunft darüber, was die digitale Rohstoffbörse für nachhaltige Rohstoffe bietet und wie Interessierte davon in ihrem Business profitieren

Was heute schon alles möglich ist, zeigen einige Beispiele auf der KErn-Homepage zur Digitalen Rohstoffbörse für nachhaltige Rohstoffe: von Lupinen für Kaffee und Speiseeis über Nüsse als schneckenabschreckende Rindenmulch-Alternative und Oliven für ökologisch sinnvolle Gerbstoffe sowie Stroh für hocheffiziente Isolierverpackungen.


Der Prototyp lässt sich vielseitig einsetzen

Das Projekt wurde gerade erfolgreich abgeschlossen und kann ab sofort der digitalen Vernetzung sowie Kontaktaufnahme dienen. Die Plattform spricht u.a. landwirtschaftliche Erzeuger, industrielle Verarbeiter, aber auch Forschungsgruppen an. Im Zuge des Cross-Cluster-Projekts „WeReLaNa“ (Cluster Ernährung, Umweltcluster und Chemie-Cluster Bayern) wird die digitale Rohstoffbörse branchenübergreifend beurteilt und Blockchain als eine mögliche Technologie für digitale Roh-/Reststoff-Plattformen evaluiert. Im Rahmen von Online-Seminaren werden die Möglichkeiten und Herausforderungen von Roh- und Reststoffhandel und viele weitere verwandte Aspekte, basierend auf den Impulsvorträgen eingeladener Expert*innen, diskutiert.

Der prototypische Online-Marktplatz für nachhaltige Rohstoffe steht einem interessierten Anwenderkreis zur Nutzung und Weiterentwicklung in Form einer Open Source Software zur Verfügung. Der Quellcode kann in ein „Anwenderprodukt" verändert werden, unter anderem in eine kommerzielle, nicht Open Source Software. Das Landesforschungsinstitut des Freistaats Bayern für softwareintensive Systeme stellt den Quellcode in der Bibliothek git.fortiss.org/RB bereit, wo er unter der Open Source Software Lizenz LGPL v3 verfügbar ist. Start-Ups, Unternehmen, Verbände u.a. können den Code im Rahmen der Lizenzbedingungen verwenden und weiterentwickeln.

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